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Ladina Näff strotzt trotz Morbus Bechterew vor Energie

Das Leben der 42-jährigen Engadinerin Ladina Näff ist geprägt von gesundheitlichen Problemen, und dennoch strotzt sie nur so vor Energie, Willenskraft und Optimismus. Neben einer Nierenfunktionsstörung, die sie seit Kindesalter begleitet, wurde im Frühjahr 2022 Morbus Bechterew bei ihr diagnostiziert – eine chronisch-rheumatische Autoimmunerkrankung, die stumpfe Schmerzen und Steifheit in der Lendenwirbelsäule und im Gesäss verursacht. Wir durften mit der Betroffenen und Dr. med. Gabriele Eglseer, Stv. Chefärztin im Rehazentrum Walenstadtberg, über diese Krankheit sprechen.

Liebe Frau Näff, erzählen Sie uns gerne etwas über Ihre Erfahrung mit Morbus Bechterew. Wann wurde die Diagnose gestellt und wie hat sich die Krankheit seitdem entwickelt?
Da muss ich ein wenig ausholen. Ich habe seit meiner Kindheit eine Nierenfunktionsstörung, weshalb ich mit 26 Jahren eine Nierentransplantation brauchte. Mit der Spenderniere meiner Mutter konnte ich fast 12 Jahre gut leben, bis die Niere seit 2019 nicht mehr wie gewünscht funktionierte. Von da an, bis im Juni 2022 eine passende Niere für mich gefunden wurde, musste ich dreimal pro Woche für jeweils vier Stunden nach Davos zur Dialyse – ein Verfahren zur Reinigung des Blutes von Giftstoffen, da meine Nieren dazu nicht mehr in der Lage waren. Meine beginnenden Schmerzen in Rücken, Hüfte und Schulter wurden als Nebenwirkungen der Dialyse abgetan, bis drei Jahre später die Diagnose Morbus Bechterew gestellt wurde. Für mich war es wichtig zu wissen, woher diese Schmerzen kamen. Da Morbus Bechterew nicht heilbar ist, geht es für mich nun darum, meine Lebensqualität trotz der Krankheit zu erhalten.

Welche Herausforderungen erleben Sie aufgrund von Morbus Bechterew? Wie beeinflusst die Krankheit Ihren Alltag?
Die Krankheit beeinflusst meinen Alltag ziemlich stark. Ich muss jeden Tag ausreichend Bewegung in meinen Alltag einbauen und darf mich trotz der Schmerzen nicht schonen. Stillstand ist das Schlimmste – ich kann nicht länger als eine Stunde am Stück sitzen oder liegen, sonst machen sich die Schmerzen bemerkbar. Schlafen kann ich zum Glück gut. Trotz aller Schwierigkeiten im Leben war und ist Aufgeben für mich nie eine Option. Ich bin ein zuversichtlicher Mensch und versuche, auch mit dieser Krankheit positiv zu bleiben. Durch die Krankheit habe ich meinen Körper sehr gut kennengelernt, ein starkes Körperbewusstsein entwickelt und weiss, wie ich meinem Körper Sorge tragen kann.

Und wie tun Sie das? Welche Behandlungen oder Therapien haben Sie bisher ausprobiert, um mit Morbus Bechterew umzugehen?
Neben Yoga, das ich seit 20 Jahren praktiziere, und meinen Übungen, die ich selbstständig zu Hause durchführe, hilft mir Physiotherapie, aber auch Saunieren und Eisbaden, Massagen und Lebensmittel mit entzündungshemmender Wirkung wie Kurkuma und Leinöl zur Vermeidung von Schüben. Hauptsache in Bewegung bleiben und gleichzeitig Überbelastungen vermeiden.

Liebe Gabriele, in der Schweiz leben schätzungsweise 80.000 Menschen mit Morbus Bechterew – jedoch sind nur rund 10.000 Betroffene diagnostiziert. Oft dauert es mehrere Jahre von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung – so auch bei Frau Näff. Weshalb ist das so?
Ja, leider wird Morbus Bechterew oft erst mehrere Jahre nach den ersten Symptomen diagnostiziert, und dies wollen wir Rheumatologen und die Schweizerische Vereinigung Morbus Bechterew ändern. Daher sensibilisieren wir sowohl die Bevölkerung als auch unsere Kolleginnen und Kollegen in den Hausarztpraxen auf diese Erkrankung. Bei Morbus Bechterew reagiert das körpereigene Immunsystem fälschlicherweise auf eigenes Gewebe mit Abwehr und verursacht so Entzündungen an Gelenken, Sehnenansätzen und insbesondere auch an der Wirbelsäule. Die Erkrankung beginnt oft mit schleichenden Beschwerden. Einmal tut dieses, dann ein anderes Gelenk weh, dann treten nächtliche Rückenschmerzen auf, die bessern, wenn man in der Nacht aufsteht und umhergeht. Dann können wieder Schmerzen an verschiedenen Sehnenansätzen auftreten und auch einmal an diesem und dann wieder an einem anderen Sehnenansatz vorhanden sein, sozusagen wandern. Man muss dann hellhörig werden und nach Morbus Bechterew als Ursache für diese Beschwerden aktiv suchen. Manchmal ist es fast wie eine Detektivarbeit.

Welche Faktoren können das Risiko erhöhen, an Morbus Bechterew zu erkranken, und gibt es genetische Veranlagungen, die eine Rolle spielen?
Wir wissen, dass Rauchen das Risiko erhöhen kann, an Morbus Bechterew zu erkranken, und dass auch die Behandlung von Morbus Bechterew erschwert ist, wenn der Nikotinkonsum nicht gestoppt wird. Wir raten daher dringend zu einem Rauchstopp. Vermutet wird auch, dass Infektionen einen Schub auslösen können, da dann das gesamte Immunsystem hochfährt, um den Erreger zu bekämpfen, und eben auch die falsche Immunreaktion gegen körpereigenes Gewebe aktiver ist. Morbus Bechterew ist keine klassische Erbkrankheit. Dennoch gibt es bestimmte genetische Veranlagungen, die wir auch bei der Diagnosestellung als eines von mehreren Kriterien nutzen. Wir können in der Laboruntersuchung bestimmen, ob der Betroffene die genetische Veranlagung HLA-B27 besitzt. 90 Prozent der Betroffenen von Morbus Bechterew besitzen diese genetische Veranlagung, die in der gesunden Bevölkerung nur bei fünf Prozent vorkommt.

Frau Näff hat erwähnt, wie wichtig Bewegung bei der Bewältigung von Morbus Bechterew für sie ist. Welche Rolle spielt körperliche Aktivität aus medizinischer Sicht und welche Behandlungsoptionen empfiehlst du?
Ich kann nur bestätigen, dass körperliche Aktivität neben der Beratung und Aufklärung sowie der medikamentösen Behandlung einer der drei Hauptpfeiler in der Behandlung und Bewältigung von Morbus Bechterew ist. Durch körperliche Aktivität kann die Beweglichkeit der Gelenke und der Wirbelsäule verbessert werden und einer Abnahme der Beweglichkeit entgegengewirkt werden. Kondition und Muskelkraft zum Schutz der Gelenke und der Wirbelsäule können dadurch aufgebaut werden. Ich empfehle meinen Patientinnen und Patienten neben einem erlernten Heimgymnastik-Übungsprogramm, welches sie regelmässig täglich durchführen sollten, auch regelmässig einer Sportart nachzugehen, welche ihnen Spass macht. Besonders gelenkschonende Sportarten sind zum Beispiel Schwimmen, Wassergymnastik, Radfahren, Wandern, Nordic Walking und Medizinische Trainingstherapie. Es gibt aber keine Verbote. Wer lieber Tennis spielt oder Ski fährt, sollte dies, soweit es möglich ist, auch tun. Hauptsache in Bewegung bleiben!

 

Dieser Beitrag erschien in unserem Voilà-Magazin.