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Eine Odyssee durch Arztpraxen und Spitäler

Eine seltene Krankheit mit weitreichenden Folgen: Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS). Bei EDS ist durch verschiedene Gendefekte das Bindegewebe geschwächt, wodurch es zu einer  Gelenksüberbeweglichkeit und vielen anderen Symptomen kommen kann. Oft ist es mit Blockaden und (Teil-)Ausrenkungen der Gelenke verbunden. Wir durften mit Bettina Immler, einer betroffenen Patientin, über ihre Krankheit und ihr Leben mit dem EDS sprechen.

Häufig treten die ersten Symptome von EDS bereits im Kindesalter auf, und der Diagnoseweg ist oft lang und schwierig. Wie war das bei Ihnen?

Genau so – im Kindesalter zeigten sich bei mir milde Symptome, die im jungen Erwachsenenalter dann sehr stark wurden. Es begann eine Odyssee durch Arztpraxen und Spitäler, bis ich mit 37 Jahren schlussendlich die EDS-Diagnose erhielt.

Die Symptome von EDS-Betroffenen sind vielfältig und variieren stark. Wie äussert sich die Krankheit bei Ihnen?

Praktisch täglich rutschen  Gelenke aus ihrer natürlichen Position (subluxieren), was mir Schmerzen und Folgeprobleme bereitet. Um meine instabilen Gelenke zusammenzuhalten, muss meine Muskulatur ständig Überstunden leisten und ermüdet an dieser Daueraufgabe sehr schnell. Beispielsweise können beim Schälen einer Orange meine Daumengelenke blockieren. Oder zu langes Stehen führt zu Überlastungen an der Beinmuskulatur und den Sehnenansätzen.

Was sind im Alltag Ihre Herausforderungen mit dieser Krankheit und wie gehen Sie damit um?

Es braucht viel Achtsamkeit und eine gute Selbsteinschätzung, wie viel ich meinem Körper zumuten kann. Gleichzeitig erfordert es Gelassenheit. Selbst im Schlaf, wenn die ganze Muskulatur erschlafft, kann es zu Gelenkblockierungen kommen.

Eine Herausforderung auf anderer Ebene ist das weit verbreitete Unwissen in der Fachwelt und die enorme Unterversorgung dieser Patientengruppe. So war ich jahrelang auf der Suche nach kompetenten Fachpersonen, fühlte mich phasenweise sehr alleingelassen und musste mir selber Wissen durch englische Fachliteratur aneignen.

Was hilft Ihnen dabei, mit der Krankheit besser umzugehen?

Heute bin ich glücklicherweise gut unterstützt. Hilfreich für mich ist das gezielte Training der stabilisierenden, rumpfnahen Muskulatur zum Beispiel mittels Pilates. Auch eine Dauerverordnung Physiotherapie, bei Bedarf Osteopathie, Thermalbadbesuche sowie orthopädische und ergonomische Anpassungen gehören zu meinem Krankheitsmanagement. Diese Massnahmen haben meinen Alltag enorm erleichtert, meine Schmerzen deutlich reduziert und viel Lebensqualität zurückgebracht.

Sie sind Betroffenenrätin der Rheumaliga Schweiz und Stellvertretende Vorsitzende des Vereins Ehlers-Danlos Netz Schweiz. Was bedeutet dieser Verein für Sie und wie kam es zur Gründung?

Vor 12 Jahren haben wir den Verein Ehlers-Danlos Netz Schweiz gegründet. Meine Mitgründer und ich hatten das Bedürfnis, anderen EDS-Betroffenen den langen Weg bis zur Diagnose und adäquaten Behandlung zu verkürzen. Mir persönlich ist es ein Anliegen, EDS-Betroffenen eine Stimme zu geben. Unser Motto heisst vernetzen, sensibilisieren, aufklären, helfen. Vorstandsteam, Mitglieder des medizinischen Beirates und die Telefonberaterinnen arbeiten alle ehrenamtlich und setzen sich zum Wohl von EDS-Betroffenen ein.

Was raten Sie anderen Betroffenen?

Da es 13 verschiedene EDS-Typen gibt, sind Symptome und Krankheitsverläufe von Person zu Person recht verschieden. Daher ist es heikel, Ratschläge zu geben. Mir persönlich haben die Vernetzung mit anderen Betroffenen sowie das Lesen von Fachbüchern sehr geholfen, wichtige Infos bezüglich Krankheitsmanagement zu erhalten. Auf dem ganzen Rehaweg habe ich immer eine aktive Rolle eingenommen. Ich glaube, das ist in jedem Rehaprozess etwas sehr Wichtiges – bei einer seltenen Krankheit wie dem EDS erst recht.

Wie würden Sie sich als Person beschreiben? Was tun Sie beruflich und in Ihrer Freizeit? Was gibt Ihnen Kraft und Zuversicht?

Als Orthoptistin mit Spezialisierung in Low Vision und Neurorehabilitation arbeite ich in einer Augenarztpraxis und im ambulanten, regionalen Dienst mit sehbehinderten Kindern und J Jugendlichen. In der Freizeit bewege ich mich gerne in der Natur, ich fotografiere und ich liebe es, neue Kochrezepte auszuprobieren.

Kraft und Zuversicht schöpfe ich aus meinem Glauben und dem persönlichen Dialog mit Gott. Ebenso helfen mir Gespräche mit meinem Mann und anderen Vertrauenspersonen. Gibt es sonst noch etwas, das Sie uns und unseren Leserinnen und Lesern sagen möchten?

EDS gilt als chronisch und unheilbar, aber mit dem passenden Setting können die Lebensqualität und die Alltagsfunktionalitäten erhalten oder gar verbessert werden. An dieser Stelle danke ich allen ganz herzlich, die mich auf meinem Weg unterstützt haben oder mich immer noch begleiten.

Was ist EDS?

Das Ehlers-Danlos-Syndrom ist eine genetisch bedingte Bindegewebskrankheit, die unter anderem zu einer Gelenksüberbeweglichkeit und -instabilität führt. Die Krankheit ist in 13 Unterklassen aufgeteilt; bei manchen Betroffenen sind die Gelenke stärker betroffen, bei den anderen mehr die Haut oder auch die Gefässe – überall dort, wo Bindegewebe vorkommt. In der Schweiz leiden  und 1600 Menschen an dieser komplexen Bindegewerbserkrankung.

Hier geht es zur Website von Ehlers-Danlos Netz Schweiz.

Weitere Informationen

Erfahren Sie in der Sendung «Gesundheit heute» vom 13. Mai 2023 mehr über die seltene Krankheit Ehlers-Danlos. Bettina Immler war bei Dr. Jeanne Fürst zu Gast im Studio und hat über ihre Krankheit erzählt. Hier gelangen Sie zur Sendung und zum Zusatzinterview mit Bettina Immler.

Link zur Sendung
Link zum Zusatzinterview
Zur Website von Ehlers-Danlos Netz Schweiz

Bild oben: Dr. med. Björn Janssen (Rehazentren Valens & Walenstadtberg) gehört seit 2017 zum Behandlungsteam von Bettina Immler und berät sie in Ergonomiefragen, kümmert sich um Kostengutsprachen für Langzeit-Physiotherapie und unterstützt die Patientin bei neu auftretenden Gelenkproblemen.